Freitag, Februar 23, 2007

Second Life War : Während der Osteopathie Behandlung geträumt

Der Hunger meldet sich quälend. Müdigkeit schleicht sich schon seit Stunden ins Gehirn. Jetzt kann ich meinen Vitalbrei noch nicht einführen, ich möchte unbedingt noch den Avatar für mein Baby fertigstellen. Ich habe mich noch nicht entschieden, ob es ein Mädchen oder ein Junge werden soll. Auf jeden Fall soll es einen Katzenkopf und Flügel haben. Natürlich bewegen wir uns im Second Life auch ohne Flügel durch die virtuelle Welt, aber Flügel sind einfach schicker. Und für mein Baby möchte ich nur das Beste haben.
So ein Mist, mir wird schwindlig, ich muss meinem dürren haarlosen Körper unbedingt wieder Brennstoff einflößen. Wenn wir doch nur eine bessere Stellung im Second Life hätten, wenn wir auf Dreamland wohnen könnten und Land verkaufen, dann könnte ich mir auch eine Ernährung über den Infusionsschlauch leisten. Dann müsste ich nicht ständig an den Hochsicherheits-Kühlschrank gehen und mir dieses widerliche Zeug in den Mund kippen.
So etwas Abartiges. Dass man Nahrung in den Mund nehmen muss und runterwürgen. Das ist so schwierig mit der ungeübten Speiseröhre. Melancholisch starre ich in den Spiegel an der Wand im Kabuff. Mein Prachtstück. Das habe ich von Ururgroßoma geerbt, wahrscheinlich ist es der einzig existierende Spiegel überhaupt in der Welt. Wer will sich schon ansehen, dieses milchige Gesicht, nie einen Schimmer Sonne gesehen, spärliche Fäden hängen auf dem Kopf herum, riesige Augen, mit Pupillen groß wie Scheunentore. Wozu braucht man nochmal eine Nase? Ich habe es vergessen. Urururgroßoma hätte es mir erklären können, in ihrer Welt gab es noch Düfte. Und echte Nahrung, die man kauen musste. Widerlich.
Wann schaffen die es endlich, dass wir uns von diesem lästigen Körper trennen können und ganz und gar ins Second Life eintauchen können?
Ich wende mich vom Spiegel ab. Warum nur starre ich da immer wieder hinein? Was will ich denn darin sehen? Mein Leben spielt sich im Second Life ab, dort bin ich groß und schlank, ein hübsches Wesen aus dem Zwielicht, mit Engelsflügeln (ja, ich steh auf diese Dinger, deshalb soll mein Baby auch welche erhalten), einem Wolfsmenschen zum Mann. Leider spendet er viel zu viel Zeit und Linden Dollar in sein Tuning, ansonsten ist er aber ein sehr netter Chat-Junky. Gesehen habe ich ihn noch nie. In der richtigen Welt meine ich. Seltsam, was ist eigentlich die richtige Welt? Wir leben doch im Second Life.